„Was vom Dichter blieb …“

Autographenschätze und Neuentdeckungen rund um Josef Weinheber

Präsentation und Diskussion mit Dr. Christoph Fackelmann

Donnerstag, 18. April 2024, Beginn: 18:00 Uhr

Eine Veranstaltung der Josef Weinheber-Gesellschaft im Weinhebersaal des Volksbildungskreises, Prinz-Eugen-Straße 44/3, 1040 Wien (Freier Eintritt)

Das Wichtigste, was ein Dichter hinterlässt, ist natürlich sein Werk. Von diesem Werk ist aber oft nur bekannt, was in Büchern gesammelt und gedruckt wurde. Sucht man genauer, stößt man immer wieder auf ungedruckte Schätze und andere spannende Überbleibsel eines Dichterlebens. Der Abend gewährt Einblicke in ausgewählte Briefe und Dokumente, die in den letzten Jahren neu aufgefunden wurden oder noch weitgehend unbekannt in Archiven und Sammlungen schlummern. Was verraten sie uns über den Dichter, sein Leben und seine Zeit? Die anschließende Diskussion soll den Besuchern die Möglichkeit geben, Sammelstücke aus dem eigenen Besitz vorzustellen. Auch über Weinheber hinaus wollen wir gerne erfahren, wofür Sie sich interessieren, wenn es um das Sammeln von seltenen Büchern und Autographen geht.

Josef Weinheber: Vorfassung des ersten Sonetts „An die Nacht“ nach Michelangelo, Widmungsniederschrift für Oswalda Lambrecht, 12.9.1935

Jahresbericht 2023 / Programmausblick 2024

Kirchstetten, Mitte Februar 2024

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Mitglieder und Freunde der Josef Weinheber-Gesellschaft!

Es liegt ein durchaus arbeitsames und ergebnisreiches Jahr hinter der Josef Weinheber-Gesellschaft. Da war zum einen der herbstliche Höhepunkt unseres jährlichen Programms, die Weinheber-Lesung in Kirchstetten, dargeboten von dem beliebten und bewährten Duo Ulli Fessl und Kurt Hexmann, musikalisch begleitet − erstmals in dieser Besetzung − von Taner Türker und Harald Haslinger. Das Programm vom 8. Oktober 2023 stand unter dem Motto „Nichts als Geschöpfe aus Traum …“, die Leistungen der Künstler fanden großen Zuspruch beim Publikum, und diesmal zeigten auch die Besucherzahlen − nach den Corona-Nachwehen des vergangenen Jahres − wieder deutlich nach oben.

Zum anderen konnten wir einige Vortragsveranstaltungen über die Bühne des Weinhebersaals im Wiener Volksbildungskreis − unserem inzwischen bewährten Kooperationspartner für kleinere Anlässe − bringen. Am beachtlichsten war wohl der von Herrn Mag. Harald Mortenthaler kundig gestaltete Abend am 16. Mai 2023 zum Thema „Weinheber in der Musik“: Bei seinem Streifzug durch die Welt der Weinheber-Vertonungen − was gibt es da nicht alles an Schätzen zu heben! − wurde Mortenthaler von dem verdienstvollen Komponisten und Tenor Mag. Alexander Blechinger begleitet, der dabei auch einige schöne Weinheber-Kompositionen aus eigenem Schaffen zu Gehör brachte, am Klavier begleitet von Frau Aya Mesiti.

Am 21. März 2023 ging es um das neuentdeckte Kriegstagebuch des mit Weinheber befreundeten Schriftstellers Wilhelm Franke, ein bewegendes, erschütterndes, aber auch literarisch bemerkenswertes Zeugnis. Am 28. November 2023 stand unter dem Titel „Große Lyrik in stürmischer Zeit“ die Reihe Das Gedicht. Blätter für die Dichtung des Hamburger Verlegers Heinrich Ellermann im Mittelpunkt. In deren Rahmen war im Oktober 1935 auch eine Weinheber-Mappe erschienen, die erste eigenständige Veröffentlichung des Dichters in Deutschland. Abgerundet wurde das letztjährige Programm durch eine von Elisabeth-Joe Harriet liebevoll und unterhaltsam gestaltete Kulturfahrt, die am 12. Juni 2023 auf den Spuren Josef Weinhebers und Wystan H. Audens nach Kirchstetten und in das nahe gelegene Schloss Totzenbach führte.

Sammlungstätigkeit

Heuer werden wir voraussichtlich etwas kürzer treten müssen. Das hat auch damit zu tun, dass einige Publikationen vorangetrieben und abgeschlossen werden müssen, an denen die Weinheber-Gesellschaft teils editorisch, teils unterstützend mitwirkt. Das bindet Kraft und Kapazitäten; darüber weiter unten mehr. Zunächst gilt es aber noch einige höchst erfreuliche Zuwächse für unser Archiv zu vermelden. Das Sammeln von Autographen, Manuskripten und seltenen Buchbeständen gehört nicht zum zentralen Aufgabenbereich unserer Gesellschaft. Dafür fehlen auch die finanziellen Ressourcen. Dennoch sind wir bemüht, im Rahmen unserer begrenzten Möglichkeiten tätig zu werden, wenn es darum geht, interessante, für die Weinheber-Forschung wertvolle Dokumente, die an uns herangetragen werden, für die Nachwelt zu sichern.

Im vergangenen Frühjahr gelang so der Erwerb eines Konvoluts von bisher unbekannten Widmungsexemplaren und Briefen aus dem einstigen Besitz von Oswalda Lambrecht. Sie war eine begeisterte Weinheberianerin aus dem Kreis um den Maler Siegfried Stoitzner in der Wachau. Nach einer persönlichen Begegnung hat der Dichter ihr die Bücher Adel und Untergang, Wien wörtlich und Vereinsamtes Herz mit zum Teil ausführlichen Widmungseinträgen geschenkt. Aus zweien zeigen die Abbildungen im vorliegenden Falter Ausschnitte; besonders der Eintrag in Adel und Untergang ist bemerkenswert, besteht er doch − siehe unten − u. a. aus einer Niederschrift des ersten Sonetts aus dem Zyklus An die Nacht nach Michelangelo, ein Jahr danach in der Späten Krone zu lesen. Diese bisher unbekannte Vorfassung vom 12. September 1935 macht es nötig, die Entstehung des Gedichts entgegen der bisherigen Annahme entschieden früher anzusetzen.

Josef Weinheber: An die Nacht, Widmungsniederschrift in ein Exemplar von „Adel und Untergang“ für Oswalda Lambrecht, 1935

Die Abbildung unten zeigt die Widmung aus Wien wörtlich mit der Einklebung eines Fotoporträts. Dazu haben sich noch zwei wertvolle Briefe Weinhebers an Lambrecht erhalten, die wir Ihnen zu gegebenem Anlass ebenfalls erschließen wollen.

Josef Weinheber: Widmung für Oswalda Lambrecht aus einem Exemplar von „Wien wörtlich“, 1935

Im Herbst 2023 gelangte noch ein kleines Konvolut Briefkarten Weinhebers aus dem Nachlass des Wiener Mediziners Dr. Karl Krexner, eines einstigen Mitglieds unserer Gesellschaft, in unser Archiv − als Schenkung seiner Tochter Elisabeth Krexner, der an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt sei. Das Konvolut enthält u. a. eine Karte, die Weinheber am 8. Februar 1942 an den oben erwähnten Waldviertler Lyriker Wilhelm Franke gerichtet hatte.

Veranstaltungshinweise

Gelegenheit, Näheres über noch unbekannte Briefe und Manuskripte aus der Feder Josef Weinhebers zu erfahren und auch ausgewählte Originale zu Gesicht zu bekommen, gibt es in einer Veranstaltung im Frühling, zu der wir Sie ebenso wie zu einem Termin im Herbst herzlich einladen wollen:

Donnerstag, 18. April 2024, 18:00 Uhr

„Was vom Dichter blieb …“
Autographenschätze und Neuentdeckungen rund um Josef Weinheber

Präsentation und Diskussion mit Dr. Christoph Fackelmann

Der Abend gewährt Einblicke in ausgewählte Briefe und Dokumente, die in den letzten Jahren neu aufgefunden wurden oder noch weitgehend unbekannt in Archiven und Sammlungen schlummern. Was verraten sie uns über den Dichter, sein Leben und seine Zeit? Die anschließende Diskussion soll den Besuchern die Möglichkeit geben, Sammelstücke aus dem eigenen Besitz vorzustellen. Wofür interessieren Sie sich − auch über Weinheber hinaus −, wenn es um das Sammeln von seltenen Büchern und Autographen geht?

Donnerstag, 21. November 2024, 18:00 Uhr

Hofmannsthal − Kraus − Kafka.
Ein Blick auf die altösterreichische Moderne

Einführung von Dr. Christoph Fackelmann, mit Lesung und Tondokumenten

Im Jahr 2024 werden drei Jubiläen begangen, die herausragenden Schriftstellern der Klassischen Moderne gelten. Hugo von Hofmannsthal und Karl Kraus feiern jeweils ihren 150. Geburtstag, und Franz Kafkas Todestag jährt sich zum 100. Mal. Alle drei Autoren waren in der Habsburgermonarchie verwurzelt und erlebten dann den Zusammenbruch der altösterreichischen Welt, auf den sie in sehr unterschiedlicher Weise künstlerisch reagierten. Der Abend führt in ihr Schaffen ein und ruft ausgewählte Werke mit Hilfe von Tonaufnahmen und Leseproben in Erinnerung.

Die Veranstaltungen finden jeweils bei freiem Eintritt im Weinhebersaal des Volksbildungskreises, Prinz-Eugen-Straße 44/3, 1040 Wien, statt. Im Anschluss besteht Gelegenheit zu einem kleinen Imbiss und zum Austausch. In aktuellen Aussendungen werden wir Sie wie gewohnt über weitere Termine informieren. (Beachten Sie dazu bitte auch die Miteilungen auf http://www.weinheber.net.)

Neue Jahresgabe

Abschließend noch ein Wort zu der neuen gedruckten Jahresgabe, die wir für die Mitglieder der Josef Weinheber-Gesellschaft vorbereiten. Diesmal handelt es sich um eine umfangreiche Anthologie zur deutschsprachigen Lyrik der Zeit von 1933 bis 1945, ausgewählt und betrachtet unter dem Aspekt des „Nonkonformismus“. Dafür hat sich in der Literaturgeschichte die Bezeichnung „Innere Emigration“ herausgebildet − ein nicht unproblematischer Begriff, der in der Anthologie in verschiedene Richtungen hin abgesteckt und überprüft wird. Der Titel lautet Eisblumen. Nonkonformistische Lyrik im Dritten Reich, herausgegeben von Günter Scholdt, Christoph Fackelmann und Ruth Wahlster (s. das Cover unten). Das ist ein durchaus gewagtes Vorhaben, insofern es gezielt Autoren nebeneinanderstellt, die sehr unterschiedliche Weltanschauungen, Kunstauffassungen und Schicksale unter der NS-Herrschaft aufweisen. Dabei soll es vorrangig darum gehen, in einer repräsentativen Zusammenschau den Reichtum, die Vielfalt und Bedeutung der in diesen Jahren verfassten und gegen den Zeitgeist positionierten Lyrik vor Augen zu führen. Einige markante Gedichte Josef Weinhebers sind natürlich auch vertreten. − Ein Buch, das zur Neuvermessung eines vergessenen Terrains beitragen möchte.

Wir planen, Ihnen diese ungewöhnliche Anthologie als Jahresgabe für 2024/25 noch vor dem Sommer vorzulegen. Anschließend werden wir uns der Vorbereitung eines weiteren Bandes der Literaturwissenschaftlichen Schriftenreihe der Josef Weinheber-Gesellschaft widmen, um mit neuen Studien und Quellenveröffentlichungen zum tieferen Verständnis unseres Dichters beizutragen.

Bitte schenken Sie unseren Vorhaben weiterhin Ihr Interesse und Ihre Unterstützung! Mit guten Wünschen und herzlichen Grüßen für 2024 verbleibe ich

                                               Ihr

Dr. Christoph Fackelmann

(Präsident der Josef Weinheber-Gesellschaft)

Hier können Sie den vollständigen Jahresbericht im PDF-Format herunterladen.

Große Lyrik in stürmischer Zeit

Von Josef Weinheber bis Gottfried Benn

Ein Blick auf Heinrich Ellermanns „Blätter für die Dichtung“ (1934–1944)

Lesung und Vortrag von Dr. Christoph Fackelmann

Dienstag, 28. November 2023, Beginn: 18:00 Uhr

Weinhebersaal des Volksbildungskreises, Prinz Eugen-Straße 44/3, 1040 Wien (Freier Eintritt)

Der Hamburger Drucker und Verleger Heinrich Ellermann schuf mit seiner Reihe „Das Gedicht. Blätter für die Dichtung“ ein außergewöhnliches Forum für die lyrische Dichtkunst. Die deutsche Lyrik fand in den von 1934 bis 1944 erscheinenden Mappen der „Blätter für die Dichtung“ einen wertvollen Zufluchtsort in stürmischer Zeit. Der Poesie wurde damals wenig Respekt entgegengebracht; man überfrachtete sie entweder mit politischen Erwartungen oder rückte sie in den Verdacht der gesellschaftlichen Nutzlosigkeit. Kaum bekannt ist, dass Josef Weinhebers Debüt auf dem reichsdeutschen Buchmarkt im Oktober 1935 mit einer ihm gewidmeten Ausgabe der „Blätter für die Dichtung“ erfolgte – noch bevor sich die großen Verlagshäuser List und Langen-Müller ihm zuwandten. Aber auch andere Meister der lyrischen Kunst beteiligten sich an Ellermanns Projekt, so etwa Gottfried Benn, Rudolf Pannwitz, Georg von der Vring und Friedrich Schnack. Ebenso erhielt der Nachwuchs gebührend Raum, darunter die Österreicherinnen Paula Ludwig und Erika Mitterer. Die Lesung stellt das Programm der „Blätter für die Dichtung“ vor, skizziert den literaturgeschichtlichen Horizont und bringt vor allem faszinierende Proben aus den Ellermann-Drucken.

Julius Endlweber: Bürgerkrieg 1919, Öl auf Leinwand, Heeresgeschichtliches Museum Wien
Bildquelle: Wikimedia Commons, HGM Endlweber Bürgerkrieg 1919